In der Antike hat man nicht selten den Überbringer schlechter Nachrichten bestraft, manchmal gar hingerichtet. Geht es heute humaner zu?

Letztes Jahr hat ein Whistleblower einer Journalisten-Gruppe Tausende von Kundendaten der Credit Suisse zugespielt. Sie belegen, dass die Grossbank Gelder von verurteilten Verbrechern verwaltet, von hohen Politikern aus korruptionsgeplagten Ländern, Foltergenerälen und russischen Oligarchen.

Wer erwartet hat, dass die Justiz nun gegen die Bank vorgehe, wurde letzte Woche enttäuscht: Die Bundesanwaltschaft hat vielmehr ein Verfahren gegen den Whistleblower eröffnet. Verletzt dies Ihr Gerechtigkeitsempfinden?

Hören Sie sich die Entschuldigungen an: Die CS hat eine Klage wegen Verletzung des Bankgeheimnisses und „wirtschaftlichen Nachrichtendiensts“ eingereicht: Die Bundesanwaltschaft war darum gezwungen, das Verfahren zu eröffnen. Ausserdem wissen wir nicht, ob sie auch gegen die Bank ermittelt: Sie darf sich von Gesetzes wegen nicht dazu äussern.

Ist damit alles in Butter – weil rechtmässig? Mir scheint nicht. Irgendetwas muss falsch laufen, wenn der Bote schlechter Nachrichten belangt wird. Zumal dann, wenn er mit seiner Handlung vermutlich darauf abzielte, dass die CS ihre Geschäfte mit skrupellosen und verbrecherischen Kunden einstellt. Falsch muss ein Rechtssystem sein, das solche Whistleblower belangt.

Falsch aber scheint mir auch die Haltung einer Bank zu sein, wenn sie bei einem solchen Vorfall nicht etwa selbstkritisch ihre eigenen Geschäftspraktiken überdenkt. Wenn sie ihn nicht als Chance sieht, ihr Geschäft besser an moralischen Grundsätzen auszurichten. Wenn sie stattdessen auf den Boten zielt, der sie an die Ethik erinnert. Denn damit fällt sie in ein irrationales Muster zurück, das wir seit der Antike glaubten überwunden zu haben.