Das WEF wäre eine wunderbare Gelegenheit, eine Bewegung in Gang zu setzen, die massgeblich zu einer besseren Welt beiträgt. Ein Feuer zu entfachen, das sich allmählich über die Länder verbreitet und schliesslich die ganze Menschheit zu erwärmen vermag. – Wäre.

Leider nur im Konjunktiv. Denn um wirklich eine Wende anzustossen, müssten die richtigen Personen nach Davos reisen. Die Repräsentantinnen einer menschendienlichen Welt müssten zweierlei mitbringen: Erstens müssten sie mächtig genug sein, um etwas bewirken zu können. Und zweitens müssten sie sich tatsächlich um das Wohl der Menschen sorgen.

Die erste Bedingung dürfte grosso modo bei den WEF-Teilnehmenden erfüllt sein. Die Liste der Wirtschaftsführerinnen und Politiker beeindruckt. Auch wenn sie nur eine kleine Gruppe der Mächtigen dieser Welt bilden, könnten sie eine nachhaltige Wirkung entfalten, jeder in seinem Einflussbereich.

Bei der zweiten Bedingung jedoch sind Zweifel angebracht. Denn was sind die fundamentalen Aufgaben, die wir Menschen unbedingt lösen müssen? Man mag da unterschiedliche Gewichte setzen, aber die folgenden drei gehören mit Sicherheit dazu: Erstens die Rettung einer einigermassen intakten Ökosphäre. Zweitens die Eindämmung der unermesslichen Gewalt, die Menschen einander antun. Und drittens die Herstellung einer akzeptablen sozialen Gerechtigkeit in unseren Gesellschaften.

Ob die WEF-Teilnehmenden sich sonderlich um diese Anliegen kümmern, fragt sich schon angesichts der Tatsache, dass viele von ihnen im Privatjet angereist sind. Deutlicher noch zeigt eine Umfrage unter 95 CEOs, was ihnen Sorge bereitet. Die Frage lautete: „Wie stark ist Ihr Unternehmen den folgenden Hauptbedrohungen ausgesetzt?“

Um die Inflation sorgen sich 43% der Befragten, um makroökonomische Volatilität 20%, um Klimarisiken 4% und um soziale Ungerechtigkeit niemand. Gewiss, das ist nur ein Ausschnitt aus den Antworten. Und die Frage galt ja den Sorgen für das Unternehmen, nicht für die Menschheit. Dennoch zeigen die Antworten deutlich genug, was diese Menschen umtreibt, was ihnen wichtig ist, wofür sie Verantwortung übernehmen – und wofür eben nicht.

Es bräuchte ein anderes WEF, ein World Ethic Forum, eine Plattform für Menschen, die erstens mächtig genug sind und sich zweitens tatsächlich um die zentralen Probleme der Menschheit sorgen. Das gibt es übrigens schon, ein „World Ethic Forum“. Es findet im Sommer im Engadin statt. Schade nur, dass die Menschen dort weder grosse Macht haben noch sich mit den Mächtigen treffen. Und dass sie sich zwar um die Natur kümmern, also um das Problem Nummer eins, nicht aber um das zweite und das dritte, also die sozialen Fragen.