Kurz vor Schulbeginn fehlen hierzulande Hunderte von Lehrpersonen. Können wir es uns leisten, dass der Unterricht für Tausende von Schulkindern gefährdet ist?

Das Problem hat einen kurzfristigen und einen langfristigen Aspekt. Zum ersten: Natürlich braucht es pragmatische Lösungen für den Moment. Selbstverständlich können die Schulen nicht Heerscharen von Kindern am ersten Schultag nach Hause schicken. Was bleibt, als vorübergehend Leute einzustellen, die diese Aufgabe gerne übernehmen wollen und die Kompetenzen zumindest teilweise mitbringen, die es dazu braucht: ein ausreichendes Verständnis der Unterrichtsinhalte, eine intuitive Fähigkeit, Dinge zu erklären, und einen natürlichen Zugang zu jungen Menschen.

Fachleute, also die professionellen Lehrpersonen, wenden ein, dass solche provisorischen Lösungen die Bildungsqualität bedrohen würden. Natürlich haben sie recht. Und damit sind wir beim langfristigen Aspekt, beim Kern des Problems. Wir haben es, weil wir gesellschaftliche und politische Werte falsch setzen.

Ausbildung – oder besser: Bildung – ist ein viel zu wichtiges gesellschaftliches Gut, als dass wir sie verludern lassen können. Sie ist die Basis dafür, dass es uns in der Schweiz so gut geht, auf allen Ebenen: Wir haben eine funktionierende Demokratie, ein hochstehendes Gesundheitswesen, eine im Grossen und Ganzen friedliche Kultur des Zusammenlebens und eine prosperierende Wirtschaft. All das verdanken wir unserem hohen Bildungsstandard.

Was müssen wir also tun, um ihn zumindest aufrecht zu erhalten? Das heisst konkret: um qualifizierte Lehrpersonen in ausreichender Anzahl zur Verfügung zu haben? – Der amerikanische Philosoph Michael Sandel weist in seinem Buch „What Money can’t Buy“ den Weg. Sein Kerngedanke: Es gibt gesellschaftliche Güter von ausschlaggebender Bedeutung, die korrumpiert oder zerstört werden, wenn wir sie ausschliesslich dem Markt überlassen: Dazu gehören beispielsweise Gesundheit, Gerechtigkeit, Würde, die Gestaltung des öffentlichen Raums oder eben die Bildung.

Was ist stattdessen zu tun? Sandel fordert zweierlei: Erstens muss die Gesellschaft eine öffentliche Diskussion über den Wert und den Stellenwert dieser Güter führen. Und zweitens muss sie dann entsprechende politische Weichen stellen. Das heisst, positive Anreize setzen und negative möglichst beseitigen. Dazu gehört nicht nur, aber auch der Lohn. Ist es zum Beispiel angemessen, dass eine Lehrperson nur halb so viel verdient wie – beispielsweise – ein Private Banker?

Um die Attraktivität des Lehrerberufs zurückzugewinnen, braucht es aber noch mehr: die Bildungsbürokratie abbauen, die Lehrpersonen von all den Zusatzaufgaben entlasten, die man ihnen aufbürden will, ihnen die Konzentration auf ihr Kerngeschäft ermöglichen, junge Berufseinsteigerinnen bei den Herausforderungen des Berufs unterstützen.

All das können Politikerinnen und Politiker steuern und gestalten – und wir alle bei Abstimmungen und Wahlen.