Manche mögen bei diesem Satz mit den Schultern zucken: Natürlich sprechen wir, und Tiere tun es nicht. Na und? Andere widersprechen vielleicht: Tiere haben doch auch eine Sprache, Bienen zum Beispiel oder Wale. Beide Reaktionen werden der Aussage nicht gerecht. Das wird klar, sobald wir nur ein wenig über die menschliche Sprache nachdenken.

Jede Tierart kennt nur ein einziges Kommunikationssystem, wir Menschen haben zwischen 6500 und 7000 verschiedene entwickelt: So viele Einzelsprachen gibt es auf der Welt. Kein Mensch versteht von Natur aus eine einzige von ihnen, aber jeder kann jede lernen, wenn er in der entsprechenden Kultur aufwächst. Jede menschliche Sprache kennt Zehntausende von einzelnen Wörtern, „Tiersprachen“ höchstens ein paar Dutzend Zeichen.

Wir können diese Wörter auf raffinierte Weise verbinden, um hochkomplexe Sachverhalte auszudrücken. Denken Sie an Zeitungsberichte, Romane, Gesetzestexte. Wir transzendieren Zeit und Ort, beziehen uns auf Vergangenes, Künftiges oder weit Entferntes. Wir unterhalten uns über Hypothetisches, beschreiben abstrakte Ideen und Vorstellungen. Wir drechseln komplizierte Argumente und Schlussketten. Wir enthüllen anderen unsere filigrane emotionale Innenwelt. Sprache ist die Basis menschlicher Zivilisation und Wissenschaft. Dank ihr kreieren wir Kulturen und Weltbilder und geben sie über Jahrtausende hinweg weiter. Was von alledem vermag tierische „Sprache“?

Doch wir beschreiben nicht nur. Mit der Sprache handeln wir auch. Wir werben und überzeugen mit ihr. Wir befehlen und versprechen, wir bitten und danken, wir spielen und beten mit der Sprache. Kurz: Sie ist ein multifunktionales Werkzeug für alle Lebenslagen.

Aristoteles mag das noch nicht alles gewusst haben. Aber um die herausragende Bedeutung der Sprache weiss er durchaus. Sonst stünde der Satz nicht in der „Politik“, seiner Gesellschaftstheorie. Der Mensch ist zwar ein Gemeinschaftswesen, ein „zoon politikon“, sagt er, wie viele Tiere auch. Entscheidend aber ist, dass seine Gesellschaft auf Sprache basiert. Wir sind sprachlich vergesellschaftete Wesen.  Was den Menschen erst zum Menschen macht, ist die Sprache. Sie ist sein Alleinstellungsmerkmal, seine „unique selling proposition“.

Doch ist es nicht vielmehr unser Geist, der uns von anderen Wesen unterscheidet? Gewiss. Auch. Er entfaltet sich in den Bahnen der Sprache. Sie ist seine Software. Geist, der im Medium der Sprache entsteht, ist ein genauso wunderbares Phänomen wie sie selber.

Sprache ist die Software des Geistes.

Was fangen Sie mit diesen Einsichten an? Sie könnten zum Beispiel diese Konsequenzen daraus ziehen: 1. Seien Sie hellhörig für die Sprache. Hören Sie genau zu, schauen Sie genau hin bei allem, was Ihnen sprachlich begegnet. 2. Gehen Sie selber sorgsam mit der Sprache um, beim Sprechen und beim Schreiben. 3. Lassen Sie sich von der Sprache begeistern. Sie gehört auch Ihnen, ist Teil Ihrer Identität.

Zum dritten Tipp ein erster Schritt: Wie konnte ein derart komplexes, leistungsstarkes und einzigartiges Phänomen wie die menschliche Sprache überhaupt entstehen? Wenn Sie nicht glauben, dass sie uns von einem Gott geschenkt wurde, brauchen Sie eine Erklärung. Diese finden Sie in meinem neuen Buch.

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