Das ist doch ein Sprichwort, denken Sie vielleicht, kein Jahrhundertsatz eines Philosophen. Richtig. Aber keiner hat tiefschürfender und umfassender als Simmel dargestellt, was der Volksmund plakativ ausspricht. Denn der Gedanke geht weit über die Erklärung hinaus, die der Redewendungs-Duden anbietet: „Wer reich ist, über Geld verfügt, hat auch Macht und Einfluss.“

Simmels „Philosophie des Geldes“ aus dem Jahr 1900 legt scharfsinnig und tiefgründig, nüchtern und ernüchternd zugleich dar, wie die Geldwirtschaft der Neuzeit unser gesamtes Leben bis in die letzten Verästelungen hinein umgestaltet und prägt. Zusammengefasst: Das Geld hat als Massstab für unser Handeln über alle anderen Massstäbe gesiegt, über religiöse, moralische und politische. Was das bedeutet, sollen hier drei Thesen Simmels andeuten:

  1. Der Sieg des Geldes ist der Sieg der Mittel über die Zwecke. – Geld kann man nicht essen. Seinem Wesen nach ist es blosses Mittel, um etwas anderes dafür zu bekommen. Mit ihm kauft man, was man braucht oder was man ersehnt. Doch gerade weil es als Mittel alle möglichen Zwecke erfüllen kann, wirkt es so attraktiv, dass alle danach gieren. Das Mittel wird schliesslich selbst zum Zweck und drängt die für unser Leben eigentlich wesentlichen Zwecke an den Rand. Dabei liegt doch unsere Würde als Menschen gerade darin, dass wir uns Zwecke setzen können. Damit stellt das Geld das Leben auf den Kopf.
  2. Der Sieg des Geldes ist der Sieg der Quantität über die Qualität. – Menschliche Güter haben je unterschiedliche Qualitäten. Das Geld indes kennt nur die Zahl, es macht alles mit allem verrechenbar. Indem es bloss die Quantitätsunterschiede der Dinge gelten lässt, raubt es ihnen die Qualität: „die absolute Differenz des einen vom andern“, wie Simmel sagt. Worauf es beim Geld allein ankommt, ist seine Menge. Simmel formuliert paradox: „Die Qualität des Geldes ist seine Quantität.“
  3. Der Sieg des Geldes ist der Sieg der zweckrationalen Beziehung über die persönlich verwurzelte. – Vorneuzeitliche Zwischenmenschlichkeit gründete immer auch in persönlichen Bindungen: in engräumigen, familiären, stammes- oder standesmässigen Gemeinschaften. Dank der modernen Geldwirtschaft können wir heutzutage zwar Beziehungen zu enorm vielen Menschen knüpfen. Doch diese Freiheit bezahlen wir mit dem Verlust von persönlichen Bindungen.

Das Geld verschafft dem modernen Menschen eine ungeheure Freiheit – den objektiven und emotionslosen Umgang mit den Dingen – und gleichzeitig entwurzelt es ihn geistig und gefühlsmässig. Es hat sich tief eingegraben in unsere Seele und bestimmt unser Denken und Reden. Weil wir (fast) alles am Geld messen, ist es das Gesprächsthema Nummer eins. Und weil wir sogar unseren eigenen Wert mit unserem Geld koppeln, machen wir daraus ein Geheimnis – oder stellen es zur Schau.

Das Geld hat über alle andern Massstäbe für unser Handeln gesiegt

Die moderne Geldwirtschaft macht die Welt zu einem gigantischen Rechenexempel der kalkulierenden Zweckrationalität: gemessen und gewertet durch das Geld. Doch das System lässt Schlupflöcher offen, ein Stück Freiheit nistet in den Nischen. Dazu drei Tipps. 1. Fragen Sie sich immer wieder: Brauche ich wirklich, was ich im Begriff bin zu kaufen? 2. Messen Sie Ihre Bedürfnisse nicht an den Andern, an Nachbarn, Freunden, Kolleginnen, sondern daran, was Ihnen tatsächlich am Herzen liegt. 3. Und fragen Sie sich immer wieder, am besten täglich, was Ihr Leben lebenswert macht – jenseits des Geldes.

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