Stellen Sie sich vor: Sie liegen im Bett und schlafen tief und fest. Denn ein skrupelloser Wissenschaftler hat ein Betäubungsmittel in Ihren Abendtrunk geträufelt. Nun schleicht der Bösewicht in Ihr Zimmer, operiert Ihr Gehirn heraus, steckt es in einen Tank mit einer Nährlösung und verbindet es Neuron für Neuron mit einem Supercomputer. Dieser simuliert die Wirklichkeit so perfekt, dass Sie den Betrug nicht realisieren, als Sie aufwachen.

Unmöglich, sagen Sie. Sie würden merken, dass Sie Ihren Körper nicht bewegen und sich nicht mit Menschen unterhalten können. Irrtum, auch das gaukelt Ihnen der Computer vor: dass Sie Ihren Arm heben, dass andere Leute Ihnen antworten. Er schafft eine perfekte virtuelle Realität, die Sie nicht als solche durchschauen.

Das Gedankenspiel hat der amerikanische Philosoph Hilary Putnam 1981 entworfen. Auch wenn es gut in Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorien passt, geht es ihm um eine andere Frage: Ist es möglich, dass es keine äussere Wirklichkeit gibt? Dass sich alles nur in unserem Kopf abspielt? Oder etwas bodennaher: Woher, ganz genau, wissen wir eigentlich, dass dem nicht so ist? Woher beziehen wir die Gewissheit über die Welt?

Eine philosophische Frage fürwahr. Schon Descartes hat sie im 17. Jahrhundert diskutiert. Bei ihm ist es ein böser Dämon, der uns über die Wirklichkeit der Welt täuschen könnte. Die Idee allerdings gehört nicht in die philosophische Mottenkiste: Sie treibt auch Neo um, den Protagonisten im Film „Matrix“. Manchmal vielleicht auch Sie?

Selbstverständlich bestreitet Putnam, dass wir Gehirne im Tank sein könnten. Sein Beweis ist aber keineswegs trivial. Er läuft darauf hinaus, dass die Idee selbst widersprüchlich ist, genau wie der Satz: „Ich existiere nicht“. Wären wir nämlich Gehirne im Tank, könnten wir gar nicht – sinnvollerweise – sagen, wir seien Gehirne im Tank.

Bleib bei dem, was Fakt ist und was
du auch beweisen könntest.

Zweitens haben wir eine naive Vorstellung von der Sprache, die Putnam die „magische Theorie der Bedeutung“ nennt. Wörter sind nämlich nicht einfach fix mit realen Dingen verbunden. Sie sind Werkzeuge, mit denen wir hantieren. Mit ihnen begreifen und gestalten wir die Welt und unsere sozialen Beziehungen. Das setzt eine Interaktion mit der Wirklichkeit voraus. Fehlt sie, bleibt die Sprache ein sinnloses Gebrabbel. Wir sind mit der Welt verbunden: durch die Sprache. Lösen wir uns davon, laufen die Sätze leer und verlieren jeden Sinn.

Das aber hat durchaus mit Fake News und Verschwörungstheorien zu tun. Denn Putnam gibt uns mit seiner Parabel implizit eine praktische Forderung mit auf den Weg: Rede nicht sinnlos daher. Überprüfe, was du eigentlich meinst mit dem, was du sagst: genau und konkret. Woher weisst du, dass es tatsächlich stimmt? Kurz: Bleib bei dem, was Fakt ist und was du auch beweisen könntest, streng und plausibel. Halten wir uns daran, dann läuten wir damit das Ende des Zeitalters von Fake News und Virtuality-Bluff ein.

Download als PDF